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Quantenmechanische Grundlagen von Farbigkeit

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Farben in unserer Umgebung

Im folgenden wird die Frage nach den äußeren Ursachen der Buntheit untersucht, die Frage nach den physikalischen Bedingungen, die einen Farbreiz entstehen lassen.

Achten wir einmal auf die Farben in unserer Umgebung: die meisten Gegenstände, deren Buntheit uns auffällt, sind „gefärbt“. Zum Beispiel Textilien: ungefärbt sind sie weiß oder sehr blass („naturfarben“); ihre Farbe verdanken sie einer Behandlung, bei der winzige Mengen einer Substanz, eines Farbstoffes, in die Fasern des Gewebes eingelagert wurden. Die weiße Farbe eines Gewebes kommt im übrigen so zustande wie das Weiß von Schnee, Zucker oder Seifenschaum: die einzelnen Fasern bestehen aus einer klaren Substanz. Beim Durchgang durch die Fasern wird das Licht an jeder Grenzfläche gebrochen und teilweise reflektiert, was schließlich bewirkt, dass der größte Teil des einfallenden Lichts fast gleichmäßig nach allen Seiten zerstreut wird: der Eindruck ist „Weiß“.

Wird nun ein Farbstoff ins Gewebe eingelagert, dann wirkt jede Faser wie ein Farbfilter und schwächt das Licht in einem bestimmten Wellenlängenbereich. Der größte Teil des Lichts, das schließlich in unser Auge gelangt, hat eine oder mehrere Fasern durchdrungen, und dementsprechend weicht seine spektrale Zusammensetzung von der der Beleuchtung ab: das Gewebe ist farbig.


Blüten von Wiesenschaumkraut und Kornblume

Viele Blumen kommen in verschiedenen Farben vor. Dabei enthalten die weißen Blüten keinen Farbstoff (also auch keinen weißen; es gibt keine weißen Farbstoffe), sie sind „schneeweiß“ durch die Wechsellagerung von Luft und wasserhaltigem Gewebe und die dadurch bewirkte vielfache Reflexion und Brechung. Drückt man ein weißes Blütenblatt mit den Fingern fest zusammen, dann wird die Druckstelle transparent. Geringste Konzentrationen von organischen Farbstoffen bewirken auch hier wieder die Buntheit, die Blüten sind natürlich gefärbt.

Wir sehen, dass für die Farbe von Blüten, Textilien und anderem zwei Effekte zusammenwirken: erstens die Anwesenheit von Farbstoffen, deren Eigenschaft, schon in geringer Konzentration in gewissen Wellenlängenbereichen stark zu absorbieren, uns im folgenden beschäftigen wird, und zweitens die leicht zu erklärende vielfache Brechung und Reflexion an der Struktur des Materials, die ohne Absorption zum Weiß-Erscheinen führt.

In den beiden besprochenen Beispielen wird das durch luftgefüllte Hohl- oder Zwischenräume bewirkt. Diese Möglichkeit scheidet aber z. B. für einen Lackanstrich aus, der ja hart und fest sein soll. Würde man farblosen Lack durch Farbstoffe der oben besprochenen Art färben, so wäre das Produkt vielleicht als Glasmalfarbe brauchbar, nicht aber dazu, eine Oberfläche mit einem deckenden Anstrich zu versehen. Ein farbiger Lack soll auch in dünner Schicht so opak (d. h. milchig trübe) sein, dass der Untergrund nicht mehr durchscheint.

Dies erreicht man durch Zugabe von Pigmenten. Pigmente sind Substanzen, die beide eben besprochenen Eigenschaften, Farbigkeit und Opazität, in sich vereinen: sie bestehen aus Körnchen, die zwar mikroskopisch klein, aber natürlich viel, viel größer als Farbstoffmoleküle sind, und die einen hohen Brechungsindex haben. Dadurch erfolgt, selbst wenn die Körnchen in ein Harz eingebettet sind, an den Grenzflächen doch noch so starke Reflexion und Brechung, dass das Licht diffus zurückgeworfen wird. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sehr wohl weiße Pigmente gibt, z. B. Metalloxide, die im Bereich des sichtbaren Lichts nicht absorbieren. Wird das Licht beim Durchgang durch die Körnchen auch noch wellenlängenabhängig abgeschwächt, dann ist das Pigment farbig.


Pigmente im Verkaufsregal. Von links nach rechts: Echtlichtgelb, Goldocker, Englischrot, Eisenoxidgelb, Terra di Siena natur, Chromoxid.

Um die Ursachen der Farbigkeit von Farbmitteln (Farbstoffen und Pigmenten) zu verstehen, müssen wir weit ausholen. Diese allgegenwärtige Erscheinung ist nur im Rahmen der Quantenphysik zu erklären.

Elektromagnetische Wellen und ihre Quanteneigenschaften

Jeder kennt die Wirkung eines Magneten auf Eisen. In der Umgebung eines Magneten wirken Kräfte auf andere Magnete und magnetisierbare Stoffe: der Magnet ist von einem Kraftfeld umgeben. Ebenfalls seit dem Altertum bekannt ist die elektrische Kraft; man beobachtet Anziehung von Staub, Papierschnippeln etc. durch an Fell oder Wolle geriebenen und dadurch elektrisch aufgeladenen Bernstein. Mit Hartgummi oder Kunstharz funktioniert es auch.


Ein Papierschnippel wird durch elektrisch aufgeladenen Bernstein angezogen.

Aber erst relativ spät, Anfang des 19. Jahrhunderts, wurde eine Verbindung zwischen den elektrischen und magnetischen Erscheinungen entdeckt. Dieser Zusammenhang, der heute technisch auf vielfältige Weise genutzt wird, besagt für die elektrischen und magnetischen Felder: ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld umgibt sich mit einem magnetischen Feld, genau wie auch ein elektrischer Strom von einem Magnetfeld umgeben ist; und ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld umgibt sich mit einem elektrischen Feld. Diese Aussagen – quantitativ gefasst – sind der Inhalt der berühmten Maxwellschen Gleichungen.

Da das magnetische Feld, das von einem veränderlichen elektrischen Feld hervorgerufen wird, wieder von der Zeit abhängt, hat es seinerseits wieder ein elektrisches Feld zur Folge, usw., es sind somit elektromagnetische Wellen möglich, losgelöst von elektrisch geladenen oder magnetischen Körpern.

Im leeren Raum breiten sich elektromagnetische Wellen unabhängig von ihrer Frequenz mit gleicher Geschwindigkeit aus, diese Geschwindigkeit ist c ≈ 3⋅108 m/sec = 300 000 km/sec, pro Sekunde mehr als siebenmal um die Erde.

Mit der Kenntnis von den elektromagnetischen Wellen wurde die uralte Frage nach dem Wesen des Lichts gelöst: wir haben zwar keine Sinnesorgane für elektrische und magnetische Felder, aber elektromagnetische Wellen in einem kleinen Frequenzbereich können wir sehen: das ist das Licht. Genau in diesem kleinen Bereich liegt im übrigen das Intensitätsmaximum der Sonneneinstrahlung; Wasser und Luft sind für Strahlung dieser Wellenlängen gut durchlässig.

Aus der Ausbreitungsgeschwindigkeit c und der Frequenz ν berechnet man die Wellenlänge λ

λ = c(1)

die durch Beugungs- und lnterferenzexperimente gemessen werden kann.

Etliche Farberscheinungen lassen sich bereits vollständig erklären, wenn man nur die Wellennatur des Lichtes berücksichtigt: dazu gehören die Farben von Seifenblasen (Bild rechts), vom Regenbogen, von schillernden Vogelfedern, um nur einige Beispiele zu nennen.

Licht besteht also zweifelsfrei aus elektromagnetischen Wellen. In Beugungs- und Interferenzexperimenten wird deutlich, dass es sich auch um Hindernisse herum, also nicht nur gradlinig ausbreiten kann, genau wie man das von Wellen erwartet. Dennoch ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts die alte Vorstellung von Lichtteilchen zu neuem Leben erwacht.

Es zeigte sich nämlich, dass von einer Welle der Frequenz ν, allgemein jedem periodischem Schwingungsvorgang der Frequenz ν, Energie nur in kleinen „Paketen“, Quanten, deren Größe proportional zur Frequenz ist, aufgenommen oder abgegeben werden kann:

ε = h ν (2)

dabei ist ε die Energie des Quants, h, der Proportionalitätsfaktor, ist die berühmte Plancksche Konstante. Diese Konstante h ist, in irgendwelchen gewohnten Einheiten gemessen, unvorstellbar klein, so klein, dass die Quantelung für niedrige Frequenzen unbeobachtbar bleibt:

h = 6.63⋅10−34 J s      (Joule Sekunden)

Bei Wasserwellen, denen wir zuschauen können, werden wir daher nie einen Effekt der Quantelung beobachten können, desgleichen auch nie bei allen anderen Vorgängen, die unseren Sinnen unmittelbar zugänglich sind, und so können uns die Phänomene, die bei höheren Frequenzen dann auftreten, nicht anschaulich oder gefühlsmäßig klar werden und erscheinen uns paradox. Das Paradoxon, von dem die Rede ist, trägt den Namen „Welle–Teilchen-Dualismus“, und es soll am Beispiel der Beugung am Doppelspalt erläutert werden, das in den Abschnitten über Beugung und Interferenz ganz im Rahmen der Vorstellung von Lichtwellen ausführlich diskutiert wird.

In den beiden folgenden Bildern wird das Ergebnis gezeigt: wenn das Licht nur durch eine kleine Öffnung geht, ergibt sich auf dem Schirm dahinter, grob gesprochen, ein Lichtfleck. Kann es aber durch zwei dicht benachbarte etwa gleiche Öffnungen gehen, so zeigt dieser Lichtfleck ein feines Streifenmuster, das durch abwechselnd konstruktive und destruktive Überlagerung der von den beiden Öffnungen kommenden Wellen zustandekommt.


So sieht man eine entfernte, annähernd punktförmige, monochromatische (grüne) Lichtquelle durch ein einzelnes kleines Loch (linkes Bild) und durch zwei kleine, dicht nebeneinander liegende Löcher in einer undurchsichtigen Blende (rechtes Bild).

Bei photographischer Auswertung kann man die Helligkeit der Lichtquelle reduzieren, dafür die Belichtungsdauer erhöhen. Dabei wird der Zeitraum zwischen aufeinanderfolgenden Absorptionen von Energiepaketen (Photonen) im Film immer größer, so dass schließlich die Wahrscheinlichkeit, dass in dem Raum zwischen Lichtquelle und Film gleichzeitig mehr als ein Lichtquant vorhanden ist, vernachlässigt werden kann, dass also die Photonen einzeln auf den Film „tröpfeln“.

Man könnte nun meinen, die Energiepakete, da sie ja unteilbar sind, müssten entweder durch das eine oder das andere Loch gehen, so dass nie durch beide Löcher gleichzeitig Wellen kämen, und das Streifenmuster müsste verschwinden. Aber das Streifenmuster bleibt. Jeder Schwärzungspunkt auf dem Film rührt von einem einzelnen Photon her, und die Vielzahl der Schwärzungspunkte ordnet sich zu einem Streifenmuster. So ist für jedes einzelne Photon offensichtlich die Wahrscheinlichkeit, an einem bestimmten Punkt absorbiert zu werden und einen Schwärzungspunkt hervorzurufen, durch das Vorhandensein beider Öffnungen bestimmt!

In praktisch allen Fällen von Interferenz im Bereich des sichtbaren Lichts und kürzerer Wellenlängen liegen die Verhältnisse ähnlich; von einigen modernen Experimenten mit Lasern abgesehen, ist es immer so, dass jedes einzelne Energiepaket gewissermaßen mit sich selbst interferiert. Das bedeutet aber, dass die einzelnen Photonen räumlich ausgedehnt sind – doch im Moment der Absorption, die dann zu einem Schwärzungspunkt auf dem photographischen Film führt, zieht sich die räumlich ausgedehnte Energie plötzlich auf einen winzigen Bereich, einen „Punkt“ zusammen.

Hier zeigt sich schon der „unheimliche“ Aspekt der Quanten. Die Energie eines einzelnen Photons kann über einen riesigen Bereich von astronomischen Dimensionen verteilt sein, aber wenn das Lichtquant absorbiert wird, ist sie ohne zeitliche Verzögerung nur an dem einen Ort und überall sonst verschwunden, die Welle ist kollabiert.

„Das Photon wird als Teilchen geboren, lebt als Welle und stirbt als Teilchen“

Hilfreich bei der geometrischen Beschreibung von Wellen sind die Begriffe Wellenfläche und Strahl. Wellenfläche nennt man den geometrischen Ort aller Punkte, in denen die Welle zu einem Zeitpunkt die gleiche Phase hat, z. B. die Flächen, in denen die Wellen gerade den Maximalwert erreichen, also die Verbindungsfläche der Wellenberge. Die Linien senkrecht darauf stimmen mit der Fortpflanzungsrichtung der Wellen überein und werden Strahlen genannt. Oft wird das Wort Strahl auch als Synonym für ein schmales Wellenbündel verwendet. Lichtstrahlen sind nicht die Bahnkurven der Photonen!

Wir haben durch das besprochene Experiment und seine Interpretation eine Hälfte der Quantenmechanik kennengelernt, die besagt, dass Wellen Teilcheneigenschaften haben. Die andere Hälfte löst diesen scheinbaren Widerspruch nicht auf, denn sie besagt, dass Teilchen – also z. B. Elektronen – sich genau so verhalten, also auch Welleneigenschaften haben.

Welleneigenschaften der Teilchen, Atomspektren

Von der Straßenbeleuchtung her kennen wir das Natriumlicht, dieses orangegelbe Licht, das besonders an Fußgängerüberwegen häufig zu sehen ist. Kochsalz, also Natriumchlorid, oder ein anderes Salz des Natriums in eine Flamme gebracht, färbt diese Flamme auf die gleiche Art gelb. Andere Metalle bewirken andere Flammenfärbungen (dies nutzt man für Feuerwerksraketen aus), und auch Gasentladungsröhren senden, je nach Füllung, farbiges Licht aus, Neonröhren z. B. leuchten intensiv rot.

Flammenfärbung durch Metalle:

Lithium: Karminrot
Natrium:Orangegelb
Kalium:Violett
Calcium:Ziegelrot
Strontium:Purpurrot
Barium:Gelbgrün
Kupfer:Blaugrün,
Bor:Grün
LithiumBorKupferCalcium
(Fotos: Herge. Die verkleinert wiedergegebenen Bilder stammen aus den "wikimedia commons".)

Eine Analyse des Lichts einer gefärbten Flamme oder einer Gasentladungsröhre mit einem Spektralapparat zeigt als wesentliche Eigenschaft dieses Lichts die Zusammensetzung aus Strahlung mit verschiedenen Wellenlängen, wobei aber nur einige diskrete Wellenlängen vorherrschen.

Man spricht von Spektrallinien, weil in praktisch allen Apparaten, die zur Untersuchung der Zusammensetzung des Lichtes dienen, das Licht durch einen engen Spalt gehen muss. Anschließend werden durch ein Prisma oder Beugungsgitter die Anteile verschiedener Wellenlängen verschieden stark abgelenkt. Der Beobachter sieht dann das Bild des Spaltes je nach Wellenlänge (Farbe) an einer anderen Stelle, d. h. er sieht eine Abfolge von Linien, „Spektrallinien“.


Sichtbarer Teil des Wasserstoffspektrums (berechnet). Die Skala gibt die Wellenlänge in Nanometern an.

Es ist lehrreich und interessant, sich ein einfaches Spektroskop zu beschaffen oder zu basteln, und damit Licht verschiedener Lampen (Straßenbeleuchtung) zu betrachten.

Das Auftreten dieser diskreten Wellenlängen im Licht, das von einzelnen Atomen ausgesandt wird, war lange Zeit völlig rätselhaft, bis das Rätsel in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts gelöst wurde.

Das Bohrsche Atommodell, das als Vorstufe der richtigen Antwort gesehen werden darf, soll hier nicht bemüht werden, sondern wir wollen qualitativ die korrekte quantenphysikalische Deutung des Phänomens kennenlernen.

Hier kommt nun der „zweite Teil“ der Quantenmechanik zum Tragen, nämlich der Sachverhalt, dass Teilchen auch Welleneigenschaften haben. Also wieder der Welle–Teilchen-Dualismus! Und wieder ist es so, dass ähnliche Effekte bei makroskopischen, also unserer unmittelbaren Anschauung zugänglichen Dingen nicht zu beobachten sind, so dass wir keine gefühlsmäßig-anschaulichen Vorstellungen entwickeln können. Die Quantenmechanik bietet uns die Möglichkeit, die Dinge insoweit zu verstehen, als wir die Ergebnisse von Versuchen vorausberechnen und kompliziertere Sachverhalte auf einfache zurückführen können, aber diese Sachverhalte „begreifen“, d. h. gefühlsmäßig tastend erfassen und uns aneignen, das können wir nicht. Wir sind allenfalls in der Lage, diese Unbegreiflichkeiten kennenzulernen, uns an sie zu gewöhnen und uns mit ihrer Existenz abzufinden.

Der Kernpunkt ist der: wenn ein Teilchen, also z. B. ein Elektron, Welleneigenschaften hat, dann kann man Beugungserscheinungen beobachten. Ein winziger Doppelspalt etwa müsste, unter dem Elektronenmikroskop betrachtet, das gleiche Streifenmuster ergeben, wie wir es für Licht kennengelernt haben.

Ein derartiges Experiment ist tatsächlich durchführbar und wurde auch durchgeführt. Wesentlich einfacher aber ist die Beugung von Elektronenwellen am räumlichen Gitter von Kristallen, im speziellen Fall an den Kriställchen in einer hauchdünnen Metallfolie.

Man konnte also aus Beugungsexperimenten die den bewegten Teilchen zugeordnete Wellenlänge bestimmen, und die Ergebnisse bestätigten die zuerst von L. de Broglie angegebene Beziehung

λ = h/p (3)

wobei p, der Betrag des Impulses des bewegten Teilchens, durch das Produkt Masse mal Geschwindigkeit gegeben ist (solange die Geschwindigkeit klein gegenüber der Geschwindigkeit des Lichts ist). Die Konstante h ist dieselbe wie in Gleichung (2).

Doch kehren wir nun zur Diskussion der Beugung von Elektronen am Doppelspalt zurück: einerseits wissen wir, dass das Elektron unteilbar ist, es wird immer nur als ganzes Teilchen mit der vollen Elementarladung nachgewiesen; andrerseits muss es, wie eine Welle, irgendwie durch beide Öffnungen gehen, sonst würde sich nicht das Interferenzstreifenmuster ergeben. Doch halt! ein einzelnes Elektron kann auf dem Film doch höchstens einen Schwärzungs-„Punkt“ ergeben, kein Streifenbild, denn es ist ja unteilbar! Das Streifenbild ergibt sich erst, wenn sehr viele Elektronen auf dem Film ihre Punkte hinterlassen haben. Doch dies bedeutet eben, dass es auch für ein einzelnes Elektron viel wahrscheinlicher ist, sich dort als „Punktteilchen“ zu manifestieren, wo es mit vielen anderen zusammen dann den geschwärzten Streifen erzeugt, als dort, wo der Film hell bleibt. Was wir hei den Lichtquanten gesehen haben, entdecken wir auch hier wieder, und das ist etwas ganz wichtiges: das Auftreten von Wahrscheinlichkeitsaussagen. Wir können rechnerisch für ein einzelnes Teilchen nicht vorhersagen, an welchem Punkt es nachgewiesen werden wird, aber wir können für jeden Bereich die Wahrscheinlichkeit berechnen.

Diese Wahrscheinlichkeit zeigt das Streifenmuster der Interferenz. Sie muss also in irgend einer Form mit einer Wellenbewegung verknüpft sein. So liegt der Versuch nahe, eine Analogie zur Optik zu suchen. Wir hatten für die Lichtquanten gesehen, dass die Wahrscheinlichkeit proportional zur Intensität ist, die Intensität wieder ist proportional zum Betragsquadrat der elektrischen Feldstärke (gemittelt über eine Schwingungsperiode), beziehungsweise natürlich auch proportional zum Betragsquadrat der magnetischen Feldstärke, die ja mit der elektrischen verknüpft ist. Daher setzt man hier die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens ebenfalls proportional zum Betragsquadrat einer sich wellenartig verhaltenden Größe, der „Wellenfunktion“; ein Ansatz, der durch die Übereinstimmung der rechnerischen Ergebnisse mit dem Experiment bestätigt wird. Das Betragsquadrat der Wellenfunktion gibt also die Aufenthalts-Wahrscheinlichkeitsdichte, eine Größe, die durch Messserien ermittelt werden kann.

Schreiben wir für die Wellenfunktion ψ(x,y,z,t), wobei x, y, z die Ortskoordinaten und t die Zeit bedeuten, dann haben wir für die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen in einem kleinen Teil des Raumes ΔV zu finden

ΔW = |ψ(x,y,z,t)|2ΔV (4)

Indem wir die Teilchenbewegung durch Aufenthaltswahrscheinlichkeiten beschreiben, die von der Zeit abhängen und mit Hilfe einer Wellenfunktion berechnet werden können, haben wir die Existenz von wohldefinierten Bahnkurven verneint. Stattdessen gelangt man zu der neuen Vorstellung von „Elektronenwolken“, die die Verteilung der gebundenen Elektronen in Atomen oder Molekülen wiedergeben.

Die einfachsten dieser Elektronenwolken sind kugelrund. Rechts ein komplizierteres Beispiel für die Verteilung eines einzelnen Teilchens.

Für makroskopische Körper, schon von der Größe eines winzigen Staubkorns und erst recht für größere, sind allerdings die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten praktisch immer auf einen so engen Bereich konzentriert, dass man in ausgezeichneter Näherung von Bahnkurven sprechen kann.

Noch ein paar Worte zu der geheimnisvollen Wellenfunktion. „Denn da, wo die Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein …“ schreibt Goethe. Wir haben uns in der Deutung der Wellenfunktion auf das Mindestmögliche beschränkt: die Vorhersage von Ergebnissen von (zumindest prinzipiell) durchführbaren Experimenten. Wir dürfen uns aber nicht vorstellen, dass sich ein punktförmiges Teilchen wie das Elektron innerhalb der aus der Wellenfunktion berechenbaren Wahrscheinlichkeitsverteilung auf eine uns verborgene Weise herumbewegt, so dass sich eben diese Wahrscheinlichkeitsverteilung einstellt, denn dies ist erwiesenermaßen falsch: die Bewegung des elektrisch geladenen Teilchens innerhalb einer von der Zeit nicht abhängigen Wahrscheinlichkeitsverteilung müsste dann doch wieder zur Aussendung von elektromagnetischer Strahlung führen. Nein, es ist eher so wie beim Lichtquant auch: solange es nicht (als punktförmiges Teilchen) gemessen wird, ist auch das Elektron über einen größeren räumlichen Bereich verteilt und schnurrt erst bei der Beobachtung zu einem Punkt zusammen.

„Beobachtung“ heißt in diesem Fall: Wechselwirkung mit einem makroskopischen Messgerät, also z.B. mit einem photographischen Film. Ob jemand das Messergebnis zur Kenntnis nimmt oder nicht, ändert am physikalischen Zustand überhaupt nichts. Die irrige Meinung, dass sich der Zustand eines Systems erst dann ändert, wenn ein Messergebnis abgelesen wird, hat anfangs unter Physikern und Philosophen Unbehagen hervorgerufen, das als „Schrödingers Katze“ noch bis heute ein bisschen fortlebt.

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen den elektromagnetischen Wellen / Lichtteilchen und den Materiewellen / Teilchen (Elektronen etc.): die Lichtteilchen (Photonen) sind „gesellig“, es können sich riesige Mengen mit der gleichen Wellenform überlagern, und das führt dazu, dass die Wellen makroskopisch beobachtbar werden und dass wir die elektrischen und magnetischen Felder kennen. Elektronen sind dagegen Einzelgänger, ausgesprochen ungesellig: höchstens ein zweites Teilchen, dessen Spin dem des ersten Teilchens entgegengesetzt gerichtet ist, kann sich am gleichen Ort (oder in der gleichen Wellenform) aufhalten. Das hat zur Folge, dass es niemals Überlagerungen von vielen Elektronen im gleichen Zustand geben kann, die dann makroskopisch beobachtbar wären. Daher sind uns die Materiewellen, im Gegensatz zu den elektromagnetischen, fremd.

Teilchen von der geselligen Sorte nennt man Bosonen, die von der ungeselligen Art Fermionen.

Wir wollen nicht auf die theoretischen Erwägungen eingehen, auf die Ähnlichkeit zwischen der klassischen Mechanik und der geometrischen Optik, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts bei der Auffindung der Quantenmechanik hilfreich waren; wir wollen auch auf eine weitere Darlegung der Quantenmechanik verzichten. Es soll hier nur festgestellt werden, dass die Beschreibung der Zustände von Teilchen oder Teilchensystemen durch eine Wellenfunktion, zu deren Bestimmung man die Schrödingergleichung verwendet, nicht die einzige und nicht die allgemeinste Möglichkeit ist.

Der Aufbau der Atome; Erklärung der Linienspektren

Ein erster Schritt zum Verständnis der Linienspektren liegt in der Beobachtung, dass sich die den einzelnen Wellenlängen gemäß ν = c/λ zugeordneten Frequenzen in ein einfaches Schema bringen lassen. Denken wir daran, dass die Energie eines Photons proportional zur Frequenz ist, dann leuchtet uns ein, dass es zweckmäßiger ist, die Frequenzen zu betrachten als die Wellenlängen. Die Energie eines Photons hν ist nun gleich der Energiedifferenz des Atoms vor der Aussendung und nach der Aussendung des Lichtquants. Das Auftreten ganz bestimmter Energien bei den Lichtquanten kommt offenbar daher, dass die Atome nur ganz bestimmte Anregungsenergien haben können, deren Differenzen genau durch die Energien der Lichtquanten gegeben sind. So kann man aus dem Spektrum zurück auf die möglichen Energiezustände schließen, die man in einem Energieniveauschema oder „Termschema“ darstellen kann.

Atome, das haben wir gelernt, bestehen aus einem positiv geladenen Kern, in dem fast die ganze Masse vereinigt ist, der von Elektronen umgeben ist. Ursprünglich stellte man sich das wie ein Planetensystem im Kleinen vor. Aber hier liegt eine große Schwierigkeit: Weil sich mit jedem Elektron ja sein elektrisches Feld mitbewegt, das elektrische Feld eines kreisenden Elektrons somit zeitabhängig ist, müssen, wie wir besprochen haben, elektromagnetische Wellen entstehen. Die umherwirbelnden elektrischen Ladungen müssten daher einen kleinen Sender bilden, der dauernd Energie in Form elektromagnetischer Wellen abgeben müsste, wobei die Elektronen dem Kern immer näher kommen und schließlich in ihn hineinstürzen. Wir dürfen daher die „Bewegung“ nicht wörtlich nehmen!

Betrachten wir nun ein Wasserstoffatom, das einen einfach elektrisch geladenen Kern (Proton) hat, und ein Elektron. Wenn keine Kräfte auf das Atom wirken, dann bleibt sein Schwerpunkt (Massenmittelpunkt) in Ruhe oder gleichförmiger Bewegung, d. h. Kern und Elektron bewegen sich um den gemeinsamen Schwerpunkt. Wegen des Massenverhältnisses

MKern : mElektron ≈ 2000 : 1

liegt der Schwerpunkt aber sehr nahe am Proton, und wir können uns für einfache Überlegungen den Kern festgehalten und nur das Elektron frei beweglich denken.

Das System ist also ähnlich wie eine Sonne mit einem einzigen Planeten, nur ist es so klein, dass die Quantenmechanik zur Beschreibung erforderlich ist.

Wir wissen vom Elektron, dass es durch die elektrische Anziehung an den Kern gebunden ist, und wir wollen eine Wellenfunktion finden, die diese Situation beschreibt. Eine Welle mir der Eigenschaft, in der Umgebung des Kerns vorhanden, weiter weg aber praktisch nicht vorhanden zu sein, eine in einem gewissen Raumbereich lokalisierte und dort auch verbleibende Welle.

(a)(b)(c)(d)

Periodische stehende Wellen von Wasser (mit Tinte gefärbt) in einem Becher: (a) das Wasser schwappt von rechts nach links und wieder zurück, (b) es schwappt von vorne nach hinten und zurück, (c) hier ist die Oberfläche sattelförmig, und bei (d) schließlich erfolgt der Wechsel zwischen „niedrig am Rand, hoch in der Mitte“ und umgekehrt.
Durch Doppelklicken auf eines der Bilder können Sie die Animation einschalten, einfaches Klicken schaltet sie wieder aus.

Versuchen wir, bei Wasserwellen eine Analogie zu finden: Erregen wir an einer Stelle einer ruhigen Wasseroberfläche Wellen, so breiten sich diese aus und entfernen sich, es ist nichts da, was sie lokalisiert hält. Betrachten wir aber Wellen in einem Becher, so sind diese natürlich auf das Stückchen Wasseroberfläche beschränkt; die Wand des Bechers ersetzt uns die Kraft zwischen Kern und Elektron, die die Welle um den Kern konzentriert hält. Wir dürfen gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Wellen im Wasserglas und den Wellenfunktionen des Elektrons im Atom erwarten.

Werden die Wellen irgendwie beliebig erregt, ergibt sich ein sehr kompliziertes, unübersichtliches Bild, insbesondere können wir nicht viel von Schwingungsperioden oder bestimmten Frequenzen sehen. Wir kennen aber nun die fundamentale Beziehung E = hν (Gl. 2), den Zuständen mit fester Energie des Atoms müssen daher Wellenfunktionen mit fester Frequenz entsprechen; wir müssen in unserem Wasserglasanalogon nach stehenden Wellen suchen, das heißt: Schwingungsformen mit einfacher harmonischer Zeitabhängigkeit; diese nennt man Eigenschwingungen des Systems. In den Bildern oben sind einige Schwingungsformen angegeben – allerdings nur schematisch und idealisierend stark vereinfacht.

Die Wellen der Form a) und b) sind leicht anzuregen, man braucht das Glas nur etwas zu bewegen. Diese Wellen unterscheiden sich nur durch die Schwingungsrichtung, haben aber die gleiche Frequenz. Die Form c) könnte in einem elastischen Becher durch periodisches Zusammenquetschen des Bechers angeregt werden, und auch hier gibt es die gleiche Welle auch in anderer Orientierung. Durch Blasen gegen die Mitte der Wasseroberfläche könnte man die Schwingungsform d) hervorrufen; wegen der Symmetrie ist hier keine zweite Schwingung gleicher Frequenz und anderer Orientierung möglich.

Viel weiter lässt sich die Analogie nicht treiben. Was wir aber sehen, ist: bei Wasserwellen im Glas sind nur bestimmte Frequenzen periodischer Bewegung möglich, die von der Größe des Glases abhängen. Dabei sind wegen der Symmetrie manche Frequenzen für verschiedene Anregungen gleich, die sich nur in der räumlichen Orientierung unterscheiden, andere treten nur einfach auf.

Wir haben hier einen sehr allgemeinen Zug schwingungsfähiger Systeme kennengelernt: die Luft in Orgelpfeifen, die Saite eines Instruments, schwingende Platten und Membranen, alle verhalten sich ähnlich, haben Eigenfrequenzen, die wir in der Musik als Grund- und Obertöne kennen, und zu all diesen Frequenzen gehören ganz bestimmte Schwingungsformen.

Da jedem Zustand des Elektrons immer eine Wellenfunktion entsprechen muss, und da es andrerseits eine Welle mit niedrigster Schwingungsfrequenz gibt, ist das „in sich Zusammenfallen“ des Atoms unmöglich. (Das Wasser mit ruhiger Oberfläche entspricht der Situation, dass kein Elektron vorhanden ist: der Atomkern und sonst nur Vakuum.)

Zum Verständnis des Aufbaues der schwereren Atome muss man noch weitere Eigenheiten der beteiligten Teilchen kennen, die man durch die Spektren kennengelernt hat. Da ist einmal der Spin der Elektronen, eine Art Drall, der das Elektron außerdem zu einem kleinen Magneten macht, und der sich einer Messung gegenüber ziemlich sonderbar verhält: Wenn wir messen, ob das Magnetchen in eine gegebene Richtung zeigt, dann zeigt es entweder in diese Richtung oder entgegengesetzt (also z. B. aufwärts oder abwärts), aber nie in eine andere Richtung. Und dann noch die Besonderheit, dass eine Schwingungsform der Wellenfunktion eines vorhandenen Elektrons für ein zweites nicht mehr möglich ist, es sei denn, der Spin (das kleine Magnetchen) ist dem des ersten genau entgegengesetzt ausgerichtet. Dies ist das Pauli-Prinzip, das der oben schon erwähnten „Ungeselligkeit“ der Elektronen zugrunde liegt.

Das bedeutet, dass im Kraftfeld eines mehrfach geladenen Kerns nur zwei Elektronen mit entgegengesetztem Spin in den Zustand mit der geringsten Energie geraten können, bei dem sie sich in größtmöglicher Nähe zum Kern aufhalten, die nächsten müssen in etwas größerer mittlerer Entfernung in den nächstgünstigsten Zuständen bleiben, bis auch diese voll sind, und so ergibt sich für die schwereren Atome ein zwiebelschalenartiger Aufbau, der dem Periodensystem der Elemente zugrundeliegt. Durch die Wechselwirkung der Elektronen untereinander werden die Termschemata der schwereren Atome allerdings wesentlich komplizierter als das des Wasserstoffs.

Die Abzählung, wieviele Elektronen in die einzelnen Schalen passen, ergibt für die niedrigste, kernnächste nur zwei. Die zweite Schale setzt sich aus zwei in der Energie nahe beieinanderliegende „Unterschalen“ zusammen Eine davon ist wieder kugelsymmetrisch und es passen nur zwei Elektronen hinein, die andere wird von drei Schwingungsformen gebildet, die sich in der räumlichen Lage unterscheiden, die z.B. entlang der x-, y- und z-Achse eines gedachten räumlichen Koordinatensystems bewegen und kann entsprechend sechs Elektronen aufnehmen. Es passen also insgesamt 2+6=8 Elektronen in die zweite Schale. Die dritte Schale besteht aus drei Unterschalen, die 2, 6 und 10 Elektronen aufnehmen können, und das geht so weiter; aber das Periodensystem der Elemente zeigt, dass mit der Besetzung der vierten Schale angefangen wird, ehe die dritte voll ist. (Offensichtlich sind die Schalen in der Energie nicht säuberlich getrennt. Bei der Einteilung in Schalen ist die Form der Wellenfunktionen wesentlich, deren Charakterisierung in den „Quantenzahlen“ steckt.)

Nachdem wir nun die Grundzüge des Aufbaues der Atome kennen, können wir qualitativ verstehen, was sich in einer Gasentladungsröhre oder in einer durch Metalldampf gefärbten Flamme abspielt: Durch Stöße mit den anderen wird den Atomen Energie zugeführt, dabei werden ein oder mehrere Elektronen in Zustände höherer Energie gehoben, unter Umständen ganz weggerissen (dadurch wird das Atom ionisiert, d. h. elektrisch geladen). Ein freies Elektron kann sich einem anderen Atom anlagern, das dadurch ebenfalls zum Ion wird. Unter Aussendung von elektromagnetischer Strahlung purzeln die Elektronen dann wieder auf den Kern zu, verweilen nur kurz in den verschiedenen höheren Zuständen, bis sie den energetisch günstigsten, also den mit der geringstmöglichen Energie, erreicht haben.

Am leichtesten werden natürlich die am schwächsten gebundenen Elektronen, die sich auch am weitesten außen befinden, durch Stöße beeinflusst, und diese sind auch für die sichtbare Strahlung verantwortlich. Bei Alkaliatomen, die ein locker gebundenes Elektron außerhalb einer abgeschlossenen Schale haben, ist dieses das „Leuchtelektron“.

Der umgekehrte Vorgang ist auch möglich, dass ein Elektron durch Absorption eines Lichtquants in einen Zustand höherer Energie gehoben wird. Dabei muss das Lichtquant die passende Energie (und somit auch Frequenz) haben; es können genau die Frequenzen absorbiert werden, die auch emittiert werden können! Man beobachtet im Sonnenspektrum dunkle Linien, die Fraunhoferschen Linien, die durch die verschiedenen Arten von Atomen in der äußeren Hülle der Sonne aus dem kontinuierlichen Wellenlängenangebot herausgefressen wurden.

Da Elektronen auch ganz vom Atom entfernt werden können, und da nichtgebundene Elektronen jede beliebige kinetische Energie haben können, tauchen auch kontinuierliche Anteile geringer Intensität in den Atomspektren auf, die Übergängen zwischen gebundenen und ungebundenen Zuständen entsprechen.

Farbstoffe

Neon, das in Gasentladungsröhren rot leuchtet, ist ein farbloses Gas, obwohl es Licht der gleichen Frequenz auch absorbieren kann, aber die Absorption kann nur in einem so engen Spektralbereich erfolgen und geschieht mit so geringer Wahrscheinlichkeit, dass sie mit freiem Auge nicht wahrnehmbar ist.

Die organischen Farbstoffe unterscheiden sich in zwei wichtigen Eigenschaften von den Atomen; beide hängen mit der Größe der Farbstoffmoleküle zusammen und sollen in einem eigenen Abschnitt noch genauer besprochen werden.

Emission und Absorption von elektromagnetischen Wellen, zu denen ja das Licht auch gehört, ist letztlich genau das, was in Funk und Fernsehen von den Sende- und Empfangsantennen geleistet wird.
 
Blüte vom Klatschmohn
(Papaver rhoeas L.)

Stellen wir uns vor, wir haben einen UKW-Empfänger, der auf 100 MHz eingestellt ist, der also Energie aus einem elektromagnetischen Feld mit 3 m Wellenlänge absorbieren kann. Statten wir diesen Radioapparat mit einer Dipolantenne aus, die aber nur 1 mm lang ist, so wird der Empfang sehr unbefriedigend sein, da infolge der Kleinheit der Antenne kaum Energie des Senders aufgenommen wird. Nehmen wir eine größere Antenne von, sagen wir, 2 cm Länge, dann ist die Lage schon deutlich gebessert. Wir wissen, dass für eine gute Übertragung, d. h. Aufnahme von Energie durch den Empfänger, die Antennenlänge von der Größenordnung der Wellenlänge sein muss, und Entsprechendes gilt für die Abstrahlung durch die Sendeantenne. Die Abmessungen der Atome und Moleküle entsprechen ungefähr der Antennenlänge. Aber während Licht Wellenlängen um 500 nm hat, sind die atomaren Abmessungen von der Größenordnung 0,1 nm!

Die Farbstoffmoleküle gleichen kleinen Fädchen, Schlingen oder Schleifen, entlang denen sich die Elektronen wie in einem dünnen Draht fast frei bewegen können, sind also gewissermaßen winzige Antennen. Die Farbstoffmoleküle sind ziemlich groß, zwar immer noch klein gegen die Wellenlänge, aber das Missverhältnis ist nicht mehr so krass, und entsprechend absorbieren sie sehr viel stärker als Atome oder kleine Moleküle.

Die zweite wichtige Eigenschaft großer Moleküle ist die, dass aufgenommene Energie auch zu mechanischen Schwingungen führen kann, die dann leicht – als Wärme – an die Umgebung abgegeben werden kann. Daher sind die Moleküle, was die absorbierbaren Frequenzen angeht, nicht so wählerisch wie die kleinen Atome: Bringt ein Lichtquant zuviel Energie mit, so wird der Überschuss als Wärme abgegeben, hat es etwas zuwenig Energie, so kann die Wärmebewegung das Fehlende beisteuern: dadurch wird der Frequenzbereich (oder Wellenlängenbereich), in dem absorbiert werden kann, gewaltig ausgeweitet.




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