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Streuung

Die Farben des Himmels

blauer Himmel Dietrich Zawischa

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nach Sonnenuntergang In der Atmosphäre wird ein Teil des von der Sonne kommenden Lichts gestreut, d.h. in andere Richtungen abgelenkt. Von den kleinen Teilchen (Moleküle, winzige Wassertröpfchen und Staubteilchen) werden dabei die kurzwelligen Strahlen stärker gestreut als die langwelligen. Daher überwiegen im Streulicht die kurzwelligen Anteile, der Himmel erscheint blau, während das direkte Sonnenlicht gelblich ist, oder sogar rötlich, wenn die Sonne tief steht. Goethe glaubte hierin das Urphänomen der Farbentstehung zu sehen.

Luftperspektive Durch die Streuung des Lichts an den Luftteilchen sieht man den Wald im Hintergrund wie hinter einem bläulichen Schleier ("Luft-Perspektive"). Ein bisschen Himmelblau ganz nahe.

Je dicker die durchdrungene Schicht ist, desto größer wird der Anteil des durch Streuung abgelenkten Lichts, so dass beim Sonnenuntergang fast nur noch der langwelligste Anteil auf geradem Weg zum Beobachter gelangt und die Sonne rot erscheint.

Sonnenuntergang 1a Sonnenuntergang 1b
Kurz vor Sonnenuntergang an einem dunstigen Tag. Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand die Sonne noch ca. 0.8º über dem Horizont. Rechts vergrößerter Ausschnitt.
Noch mehr Bilder vom Sonnenuntergang

Kurz nach Sonnenuntergang an einem klaren Tag. Im Westen ist der Himmel nahe dem Horizont am hellsten (linkes Bild), im Osten ist er dort am dunkelsten, weil die tiefsten Luftschichten schon im Erdschatten liegen (rechtes Bild). Oberhalb des Erdschattens als zartrosa Hauch der Widerschein der rot untergehenden Sonne.

Mondesfinsternis

Mondfinsternis  Das Farbenspiel von Sonnenauf- und -untergang überträgt sich sogar auf den Mond: Wenn bei einer Mondesfinsternis der Erdschatten den Mond verdunkelt, wird er durch das von der Erdatmosphäre in den Schattenbereich hinein gestreute Licht schwach beleuchtet. Dieses Licht ist überwiegend rötlich, da die kürzerwelligen Anteile größtenteils in andere Richtungen gestreut werden. Vom Mond aus wäre die Atmosphäre der Erde als leuchtender Lichtsaum zu sehen, der dort, wo keine Wolken sind, an der Innenseite rot ist und nach außen verblasst und bläulich wird.

Partielle Mondesfinsternis vom 16. August 2008, fotografiert um 23:15 Uhr MESZ
Mondfinsternis vom 21. Februar 2008


Rayleigh-Streuung

Betrachten wir ein einzelnes "Luftteilchen", also ein Stickstoff- oder Sauerstoffmolekül. Feine Einzelheiten spielen hier keine Rolle, daher reicht die Vorstellung von positiven Ladungen (in denen fast die ganze Masse konzentriert ist), die von einer Wolke negativer Ladungen umgeben sind. Die Ausdehnung des Gebildes ist von der Größenordnung von Zehntel Nanometern, also einige tausend mal kleiner als die Wellenlängen des Lichts.
Befindet sich das Molekül in einem elektrischen Kraftfeld, dann wirken auf die negative Ladungswolke und die elektrisch positiv geladenen Kerne Kräfte in entgegengesetzter Richtung, die Schwerpunkte der Ladungswolke und der positiven Ladungen werden etwas auseinandergezogen, aus dem Molekül wird ein kleiner elektrischer Dipol.
Da die Elektronen sehr viel kleinere Masse als die Kerne haben, können wir die Bewegung der Kerne überhaupt vernachlässigen und als Molekülmodell eine negative Ladung annehmen, die durch eine "Federkraft" (elektrischen Ursprungs) an ihre Ruhelage gebunden ist. Ein elektrisches Feld bewirkt eine zusätzliche Kraft, die die Ladung aus ihrer Ruhelage auslenkt.
Fällt Licht einer bestimmten Wellenlänge und somit einer festen Frequenz ein, dann wirkt eine periodische Kraft auf die Ladung, die Ladung wird um ihre Ruhelage schwingen. Diese erzwungene Schwingung erfolgt mit der Frequenz der einfallenden Strahlung. Für unsere Betrachtungen ist wichtig, dass die Frequenzen des sichtbaren Lichtes wesentlich kleiner sind als die Resonanzfrequenzen der betrachteten Oszillatoren. Daraus kann man schließen, dass die Amplitude in erster Näherung unabhängig von der Erregerfrequenz ist.
Unser betrachtetes Molekül wird also zu einem Dipol, der mit der Frequenz der einfallenden Welle schwingt. Wird der Schwerpunkt der negativen Ladung -q gegen den der positiven Ladung +q um ein Stück x0 verschoben, dann ist das Produkt q.x0, das Dipolmoment, ein Maß für die Dipolstärke (denn wenn doppelt soviel Ladung halbsoweit ausgelenkt wird, ist das resultierende Feld dasselbe, solange der Abstand der beiden Ladungen als klein angesehen werden kann). Das Dipolmoment hängt nun trivialerweise von der einwirkenden elektrischen Feldstärke ab, daher führt man als Materialeigenschaft die Polarisierbarkeit ein, – dies ist das Dipolmoment geteilt durch die Feldstärke. Die Polarisierbarkeit ist die molekulare Größe, auf die es hier ankommt, und die in den Fällen, die hier interessieren, nur wenig von der Frequenz abhängig ist.
Das betrachtete Molekül kehrt nun seine Polarität periodisch um, und wirkt dadurch wie ein kleiner Sender.

Die Rechnung ergibt, dass die von einem schwingenden Dipol abgestrahlte Leistung proportional zum Quadrat des Dipolmomentes und zur vierten Potenz der Schwingungsfrequenz ist. Dies ist eine Folge der Kleinheit der Dipole im Vergleich mit den betrachteten Wellenlängen. Optimal wäre für Abstrahlung eine mit der Wellenlänge vergleichbare Größe des Strahlers. Das Verhältnis Dipolgröße zu Wellenlänge ist für kurze Wellen günstiger, daher erfolgt mehr Abstrahlung bei den kurzen Wellenlängen. Das kurzwellige Licht wird stärker gestreut als das langwellige, und zwar umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge. Licht der Wellenlänge 450 nm (blau) wird über viermal mehr gestreut als rotes mit der Wellenlänge 650 nm.

Das ist der Grund dafür, dass der Himmel blau ist.

Himmelblau,
ausgerechnet

Vielleicht erscheint der Hinweis auf eine nicht vorgeführte Rechnung nicht besonders überzeugend – das Ergebnis ist jedoch plausibel, wie folgendes Beispiel zeigt:
Man kann Wasserwellen mit der Hand erzeugen, indem man die Hand knapp unter der Wasseroberfläche periodisch auf und ab bewegt. Wenn man das schnell genug tut, entstehen deutlich sichtbare Wellen. Wellen mit etwa 20 bis 30 cm Abstand von Wellenberg zu Wellenberg sind leicht zu erzeugen. Will man längere Wellen anregen, muss man die Hand langsamer bewegen, aber dann ist bald kaum mehr etwas zu sehen. Je langsamer die Hand auf und ab bewegt wird, desto weniger Energie wird von den erzeugten Wellen abtransportiert, und das liegt daran, dass die Hand klein verglichen mit der Wellenlänge ist. (Wenn sich aber die Flanke einer größeren Insel bei einem Erdbeben ein bisschen bewegt, können Wellen mit sehr großer Wellenlänge angeregt werden.)

Betrachten wir nun ein verdünnter Gas. An jedem einzelnen Molekül wird Licht gestreut. Prinzipiell sind, wenn man wissen will, wieviel Licht in einem bstimmten Punkt dem Raumes ankommt, die Feldstärken der von den verschiedenen Streuern kommenden Wellen zu addieren, und die Intensitäit ergibt sich dann proportional zum Quadrat des erhaltenen Ausdruckes. Man erhält Interferenz (d.h. räumlich abwechselnd gegenseitige Verstärkung und Abschwächung oder Auslöschung) zwischen den Wellen von den einzelnen Streuzentren. Da diese aber völlig regellos verteilt sind, und auch noch in Bewegung, wechseln die Interferenzterme ungeheuer rasch und sind dadurch nicht beobachtbar; wir können nur den zeitlichen und räumlichen Mittelwert feststellen, und bemerken, dass sich unter diesen Umständen die Intensitäten des an den einzelne Molekülen gestreuten Lichts addieren. Und so ergibt sich für die Intensität des Streulichts wieder eine umgekehrte Proportionalität zur vierten Potenz der Wellenlänge (Rayleigh-Streuung).

Dieses Potenzgesetz gilt, solange die Streuung des schon einmal gestreuten Lichtes vernachlässigt werden kann. Je dicker oder dichter die streuende Schicht ist, desto mehr macht sich mehrfache Streuung bemerkbar – das von einem weit entfernten Punkt zum Beobachter hin gestreute kurzwellige Licht wird auch am stärksten wieder in andere Richtungen gelenkt, wodurch auf einer langen Wegstrecke der Anteil des langwelligen Streuliches zunimmt. Daher ist das Himmelsblau in Horizontnähe weißlicher als hoch oben.

Himmel mit Wolken Untersuchen wir als nächstes ein kleines Tröpfchen, das immer noch klein ist gegen die Wellenlängen des Lichts, und aus N Molekülen Wasser besteht. Nehmen wir vereinfachend (und nicht ganz korrekt) an, dass das elektrische Feld, das jedes Teilchen spürt, gleich dem Feld der einfallenden Welle ist, so wirkt das ganze Tröpfchen wie ein Molekül mit einer N-fachen Polarisierbarkeit, und die gestreute Welle ist von N2-facher Intensität. Solange das Tröpfchen klein gegen die Lichtwellenlängen ist, wird wieder das kurzwellige Licht viel stärker gestreut.

Größere Tröpfchen

Mit zunehmender Tropfengröße verändert sich das Bild: die von den einzelnen Teilbereichen kommenden Streuwellen beginnen sich gegenseitig durch Interferenz auszulöschen; bei Abmessungen der Tröpfchen, die groß sind gegen die Wellenlängen, löschen sich die Streuwellen aus dem Inneren weitgehend aus, und was übrig bleibt, interpretieren wir summarisch als Reflexion und Brechung. Innerhalb des Volumens erfolgt praktisch keine Streuung mehr. Sind also die streuenden Teilchen größer als die Wellenlänge des Lichts (Nebel, Wolken), dann wird insgesamt mehr Licht gestreut und es sind alle Wellenlängen gleichermaßen betroffen – in diesem Fall spricht man von Mie-Streuung (Mie scattering). Die spektrale Zusammensetzung des Streulichtes hängt aber vom Streuwinkel ab. In dichten Wolken mittelt sich diese Winkelabhängigkeit durch verschiedene Tröpfchengrößen und durch Mehrfachstreuung heraus und die Wolken erscheinen weiß oder grau.

Für ein ausgedehntes Medium, bei dem die Dichte praktisch konstant ist, heben sich die Streuwellen in allen Richtungen außer der Ausbreitungsrichtung des Lichtes weg. Eine homogene Flüssigkeit streut Licht also nicht, die Polarisierbarkeit der Teilchen führt nur auf eine Veränderung der Wellenlänge des Lichts im Medium; dies wird durch die Einführung eines Brechungsindex berücksichtigt.



Der Tyndall-Effekt

Streuung tritt wieder auf, wenn in einem durchsichtigen Medium (in einer Flüssigkeit) kleine Teilchen abweichender Polarisierbarkeit suspendiert sind (Tyndall-Effekt). In Alkohol gelöster Mastix (ein Harz), Kolophonium oder auch z.B. Fichtenharz als Zusatz zu Wasser ergibt günstige Bedingungen zur Beobachtung des Effekts.
Auch in diesem Fall ist die Größe der suspendierten Teilchen entscheidend: sind die Teilchen klein im Vergleich zu den Wellenlängen des Lichts, so sind Farberscheinungen zu beobachten, sind sie größer, so ist die Suspension einfach nur weißlich trüb.

Das Bild rechts zeigt so eine Suspension von Fichtenharz in Wasser, von unten mit einem weißen Diodenlämpchen beleuchtet. Das transmittierte Licht fällt oben auf ein schräg über das Glas gehaltenes weißes Blatt Papier.
     Tyndall-Effekt
Der amorphe Opal besteht aus etwas wasserhaltigem Siliziumdioxid ("Kieselsäure"). Die Trübung (Opaleszenz) kommt durch die Wechsellagerung von verschieden stark wasserhaltigen Anteilen zustande, Wassereinschlüssen zwischen submikroskopisch kleinen Kieselsäurekügelchen, siehe die auf den Seiten von pinfire.de gezeigten REM-Aufnahmen. Tyndallstreuung an den Einschlüssen ist die Ursache dafür, dass der Stein im reflektierten Licht bläulich erscheint, im durchscheienden Licht gelblich. Durch die regelmäßige Anordnung der Streuzentren treten farbige Reflexe auf.

Rechts ein Opal aus Äthiopien, Länge 22 mm
Glas wird durch feinst verteilte, submikroskopisch kleine Kriställchen mit abweichendem Brechungsindex trübe, je nach Konzentration opalisierend oder milchig. Dies wird durch Zusatz von phosphorsaurem Kalk (Knochenasche), Zinnoxid oder Fluoriden (Kryolith, Na3Al F6) zur Glasschmelze erreicht.
Kryolithglas (Opalglas, Bild rechts) erscheint vor einem dunklen Hintergrund himmelblau und im durchscheinenden Licht orangegelb.
    
Tyndall-Effekt am Opalglas
Lichtstreuung (der Tyndall-Effekt und die davon nicht wesentlich verschiedene Rayleigh-Streuung) ist recht häufig zu beobachten.
Die blaue Augenfarbe ist wohl die bekannteste Farberscheinung aufgrund des Tyndall-Effekts (Bild rechts). Die Iris des menschlichen Auges enthält keinen blauen Farbstoff. Die optisch trübe vordere Schicht der Iris erscheint, wenn sie kein oder nur wenig Pigment (Melanin) enthält, vor der dunklen hinteren Schicht aufgrund der bevorzugten Streuung des kurzwelligen Lichtes blau.
blaue Iris

Goethe empfiehlt, Kastanienrinde in Wasser einzuweichen, um eine geeignet trübe Flüssigeit zu erhalten, die vor dunklem Hintergrund blau erscheint. Aber Rosskastanien enthalten Aesculin, eine blau fluoreszierende Substanz, die Strahlung aus dem nahen Ultraviolett in kurzwelliges Licht umwandelt (wie die optischen Aufheller in vielen Waschmitteln). Die blaue Fluoreszenz kann leicht als Tyndallstreuung fehlinterpretiert werden.

Absorption

Wir haben bei unseren Überlegungen vorausgesetzt, dass die streuenden Teilchen im sichtbaren Bereich des Spektrums nicht absorbieren. Dies ist gleichbedeutend mit der Annahme, dass wir die Oszillatoren nur außerhalb der Resonanzbereiche zu betrachten brauchen. Bei Resonanz erfolgt Energie-Aufnahme oder -Abgabe, die Resonanzfrequenzen der Atome und Moleküle sind identisch mir den Absorptions- und Emissionsfrequenzen.
Allerdings erscheint Rauch vor dunklem Hintergrund bläulich und vor hellem Hintergrund gelblich, obwohl die Ruß- oder Teerteilchen dunkel sind. Hier überlagert sich der Tyndall-Effekt mit der Absorption, ohne dass sich auffällige Veränderungen ergeben.
Wenn die betrachteten Teilchen aber Licht sehr stark absorbieren, dann ergeben sich wesentlich kompliziertere Verhältnisse: winzige Goldkügelchen in Glas verteilt ("kolloidale Goldlösung") z.B. bewirken die rote Färbung des Rubinglases. Dies wird häufig als Variante des Tyndall-Effekts angesehen. Goldrubinglas erscheint aber kaum trübe, die Streuung durch die geringe Konzentration der Goldpartikeln ist also unmerklich, während die starke Absorption der kürzerwelligen Anteile des Lichtes die rote Farbe zur Folge hat. Ausführlicheres dazu finden Sie in dem Abschnitt über Festkörper bei den Metallen.

Dichteschwankungen

Wir haben die Rayleigh-Streuung für verdünnte Gase kennengelernt, da mussten die Intensitäten der einzelnen Streuwellen addiert werden. Bei Atmosphärendruck sind aber in einem würfelförmigen Volumen mit 400 nm Kantenlänge (entsprechend den kürzesten sichtbaren Wellenlängen) ca. 1,7 Millionen Moleküle enthalten. Sind die Bedingungen für unabhängige Streuung der einzelnen Teilchen noch erfüllt oder ist die Situation mehr die einer gleichförmigen Dichte, bei der die Streuwellen durch Interferenz verschwinden? Diese Frage wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Einstein und Smoluchowski untersucht, die fanden, dass Streuung an den Dichteschwankungen eines idealen Gases genau das gleiche Ergebnis liefert wie Streuung an den einzelnen, als unabhängig voneinander angesehenen Molekülen dieses Gases.

Selbstverständlich überlagern sich die von den einzelnem Teilchen gestreuten Wellen immer, und es tritt konstruktive und destruktive Interferenz auf. Aber wenn die Orte der einzelnen Teilchen völlig unabhängig voneinander sind, dann mitteln sich bei einer großen Zahl von Teilchen die Interferenzterme heraus, d.h. konstruktive und destruktive Interferenz halten sich die Waage, und die Intensität der Streuwellen ergibt sich als die Summe der Intensitäten von allen streuenden Teilchen.

Blau und Grün im Tierreich

Im Tierreich findet man zahlreiche Beispiele von nicht irisierenden (d.h. nicht vom Blickwinkel abhängigen), aber nicht durch Pigmente oder Farbstoffe erzeugten Blaufärbungen. Ursache ist jeweils eine Gewebeschicht mit kleinräumigen Dichteschwankungen (z.B. durch eingelagerte kleinste lichtstreuende Partikel) vor einer durch Melanin dunkel gefärbten Schicht. Das ist also sehr ähnlich wie beim Tyndall-Effekt, aber neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass das Spektrum des remittierten Lichtes nicht die bekannte Rayleigh-Tyndall-Form (umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge) hat, weil die Streuzentren nicht völlig unregelmäßig angeordnet, sondern in ihren Abständen deutlich korreliert sind (Prum et al., 1999a, 1999b, 2004a, 2004b). Das Blau sei also eher den Strukturfarben zuzurechnen.



Feder von einem Eichelhäher. Bildbreite links 4 cm. Rechts Ausschnittsvergrößerung.

Beim Tyndalleffekt sind die streuenden Teilchen mit relativ geringer Dichte in einem größeren Volumen verteilt. Um in einer dünnen Schicht schon merkliche Streuung zu erzielen, muss die Dichte viel höher sein. Bei völlig regelloser Anordnung würden sich Klumpen bilden, daher wird ein gewisser Mindestabstand der Teilchen angestrebt. Dies führt zwar zu keiner langreichweitigen Ordnung, aber zu gleichmäßigerer Verteilung. Die folgenden Bilder sollen das veranschaulichen.

     
Linkes Bildpaar: ungeordnete, unkorrelierte Verteilung, rechts: statistische Verteilung mit festem Mindestabstand. Es sind stereoskopische Bildpaare, die die räumliche Tiefe zeigen, wenn man mit einem Auge auf das eine und dem anderen auf das andere Bild des Paares schaut.

Versuch einer Modellrechnung

Ein kleiner kugelförmiger Bereich mit Radius 4 μm wird mit streuenden winzigen Teilchen gefüllt, die (a) statistisch verteilt sind oder (b) einen Mindestabstand von 200 nm haben müssen. Dann passen nur knapp 16000 Teilchen in die Kugel, daher wird auch im Fall (a) die Teilchenzahl auf diesen Wert beschränkt. Die Koordinaten werden in beiden Fällen durch einen Zufallszahlengenerator ermittelt. Die unter Vernachlässigung von Mehrfachstreuung berechneten Intensitäten zeigen starke statistische Schwankungen in ihrer Abhängigkeit von Streuwinkel und Wellenlänge. Um diese zu verringern, wird der Mittelwert über eine größere Anzahl gleichartiger Systeme gebildet. In den Diagrammen unten werden die Intensitäten für einen Streuwinkel von 120 Grad gezeigt, die mit der vierten Potenz der Wellenlänge multipliziert und in willkürlichen Einheiten aufgetragen sind.

     
(a) Tyndallstreuung von einem kugelförmigen Bereich mit Radius 4 μm, der regellos mit ca. 15700 winzigen streuenden Teilchen gefüllt ist. Mittelung über 200 Systeme (b) Streuung durch ebenfalls ca. 15700 Teilchen, aber mit einem Mindestabstand von 200 nm untereinander, Mittelung über 80 Proben.

Im Fall von Tyndallstreuung sollte für "unendlich viele Teilchen" die gezeigte Größe eine horizontale Linie ergeben. Es ist deutlich zu sehen, dass durch die den gewählten Mindestabstand die längerwelligen Anteile des Spektrums unterdrückt werden, wodurch die blaue Farbe vertieft wird. Diese Ergebnisse passen zu den experimentellen Befunden von Prum und Mitarbeitern.


Bei Strukturfarben, hervorgerufen durch Nanostrukturen wie Vielfachschichten (Käfer, Kolibris, Schmetterlinge) oder noch kompliziertere raumgitterartige Bildungen (Pfau, Fasane, Schmetterlinge), findet man das ganze Spektrum von bunten Farben realisiert. Die unregelmäßige Verteilung von "Nano-Streuzentren" liefert immer nur Nuancen in der Nähe von Himmelblau, insofern ist die Ähnlichkeit mit dem Tyndall-Effekt größer als die mit den anderen Strukturfarben.

Grünfärbung wird durch zusätzlichen gelben Farbstoff (meist ein Carotinoid) erreicht.

Laubfrosch
Hyla arborea, Laubfrosch
(Foto: Ineptus)
Die grüne Farbe von Amphibien und Reptilien kommt auf diese Weise zustande. Verschiedene Farbzellen sind in mehreren Schichten übereinander angeordnet: gelbe Xanthophoren weiter außen, darunter Guanophoren, in denen die farblose Substanz Guanin in kleinsten Kriställchen in der Zellflüssigkeit suspendiert ist, zuunterst eine durch Melanophoren dunkel gefärbte Schicht. (Siehe: "Nature's palette" von Margareta Wallin.)
Die Guanophoren erscheinen durch den Tyndall-Effekt vor dem schwarzen Untergrund blau, wenn die Guaninkriställchen klein sind; sind größere Kriställchen suspendiert, wird das remittierte Licht weißlicher. (Plattige Form der Guaninkriställchen oder Stapel von solchen führt auf silbriges Aussehen oder "metallischen" Glanz und Interferenzfarben, man spricht dann von Iridophoren.)
Zwei Papageien
Zwei Papageien, Ara militaris, Soldatenara
(Foto: RoFra, Lizenz CC BY 3.0)
Blaue und grüne Farben bei Vögeln kommen ebenfalls durch den "Tyndall-ähnlichen" Effekt zustande, sofern es keine Schillerfarben sind, siehe "Die Gefiederfarben der Vögel". Bei Papageienfedern wird in den vom Federschaft abgehenden Ästen durch Melanin schwarz gefärbtes Mark von großen Riesenzellen umgeben, in denen Melaninkörnchen in geringer Konzentration verteilt sind, die auch wieder das kurzwellige Licht stärker streuen als langwelliges und die daher vor dem schwarzen Mark blau erscheinen. Die äußerste Schicht der Äste besteht aus transparenten farblosen (blaue Federn) oder durch ein Carotinoid gelb gefärbten Zellen (grüne Federn). Die von den Ästen ausgehenden Strahlen sind farblos transparent oder durch Melanin dunkel gefärbt.
Große Pechlibelle
Ischnura elegans (van der Linden)
Große Pechlibelle, Männchen
Die blaue, aber nicht metallisch glänzende Farbe von Libellen entsteht auch so. Die Epidermiszellen unter der durchsichtigen Kutikula enthalten eine Suspension winzigster Partikel vor der durch Melanin schwarz gefärbten darunter liegenden Schicht (nach Sternberg & Buchwald (1999): Die Libellen Baden-Württembergs, Band 1. (© Ulmer Verlag, Stuttgart), siehe "Körperbau der Libellen").


Anhang: Farbtreue und Weißabgleich

Lässt sich die Farbe des Himmels durch Fotos dokumentieren?
Unten sehen Sie drei Aufnahmen vom bewölkten Himmel, die innerhalb kurzer Zeit entstanden sind und etwa den gleichen Ausschnitt des Himmels zeigen (die Wolken zogen sehr schnell). Die Aufnahmen unterscheiden sich durch die Art des Weißabgleichs.


Links: Einstellung "TAGESLICHT"
Mitte: Einstellung "AUTO" (automatischer Weißabgleich)
Rechts: Einstellung "BEWÖLKT".

Das mittlere Bild entspricht recht gut dem visuellen Eindruck, und das ist genau das, was man von einem Foto verlangt. Der automatische Weißabgleich arbeitet in den meisten Fällen sehr zufriedenstellend. Damit ist aber die Frage nach der "wirklichen" Farbe des Himmels und der Wolken nicht beantwortet. Unser Gesichtssinn macht auch keine absoluten Farbmessungen.
Noch ein zweites Beispiel:
Herbstlich gefärbte Blätter einer Weinrebe in einem Strauch (Felsenbirne), der sein Laub bereits abgeworfen hat. Sonniges Wetter, wolkenloser Himmel, automatischer Weißabgleich. Der direkte Vergleich (abwechselnd Blick aus dem Fenster und auf den Computerbildschirm) zeigte, dass die Farbwiedergabe optimal ist.
Dasselbe Motiv einen Tag später bei bedecktem Himmel und Nieselregen.
Links: automatischer Weißabgleich,     rechts: Einstellung: "BEWÖLKT".

Hier entspricht das rechte Bild besser dem visuellen Eindruck als das linke. Ohne unmittelbare Vergleichsmöglichkeit hätte sich dies allerdings kaum entscheiden lassen.
Da der Fotoapparat nicht alle Hinweise erhält, die unser Gesichtssinn für den Weißabgleich auswertet, und da z.B. bei bedecktem Himmel die Lichtverhältnisse auch keineswegs immer die selben sind, ist bisweilen eine nachträgliche Bearbeitung der Fotos erforderlich. In dieser Hinsicht, so scheint mir, wird allerdings gelegentlich des Guten zuviel getan.

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